Gastbeitrag: „Wilde“ Schokolade


Es war ein unscheinbarer Sonntag im Advent, an dem es plötzlich ganz verführerisch duftete, im ganzen Haus. Das ist generell nicht selten, an Sonntagen kommt es sogar häufiger vor. Denn jeden Sonntag kommt die ganze Familie zum Sonntagsessen zusammen und mein Schwiegervater kocht. Als nach und nach alle Komponenten des Essens auf den Tisch kommen, stutze ich einen Moment. Diese Bratensauce...sah so dunkel und dickflüssig aus. Hat er etwa...? Ich probiere und stelle fest: Ja, er hat. Schokolade. Wagemutig, beim Familienessen. Aber für mich hat er damit gewonnen. Noch beim Essen, mit vollem Mund, gucke ich ihn an und stelle mit den Fingern das Tippen auf einer Tastatur nach. Meine Frage an ihn, ohne sie aussprechen zu müssen: Schreibst Du mir einen Gastbeitrag?
Er nickt, und hier ist er, der fünfte Gastbeitrag meines Schwiegervaters: 

 

Advents-Sonntagsessen: „Wilde“ Schokolade

Ein Gastbeitrag von Patervocis


Vor kurzem bekam ich von einem Freund einen Damwildrücken von 1,9 kg. Den wollte ich natürlich gern sonntags für die ganze Familie zubereiten; das bedeutet bei uns Planung für 7 Personen.  Dafür erschienen mir wiederum 1,9kg mit dem erheblichen Knochenanteil eines Rückenstücks etwas knapp bemessen. Also musste da noch etwas drumherum; in diesem Fall entschied ich mich für eine Vorsuppe mit Einlage, damit alle satt werden würden.
Für den Damwildrücken schwebte mir eine sehr dunkle, aromatische Sauce vor. Dabei fiel mir wieder ein, dass Ich  vor längerer Zeit, vor Jahren, schon mal einen Hasenrücken mit einer mit Schokolade verfeinerten Sauce gemacht habe, der bei der Famlie gut angekommen war; die Zubereitung hatte ich seinerzeit leider nicht notiert. Aber ich stellte mir vor, dass ein wenig Schokoladenaroma jedenfalls gut in die Jahreszeit passt. Und es war klar, dass ich eine kräftige Brühe sowohl für die Vorsuppe als auch als Grundlage für eine gute Sauce brauchte.
Bei diesem Stand der Überlegungen entschied ich, dass ich keinen klassischen Braten aus dem Rückenstück machen würde; mir kamen meine Experimente mit Niedrig-Garmethode von Anfang des Jahres in den Sinn. Eine gute Sauce würde sich auf der Grundlage einer wirklich intensiven Brühe in Verbindung mit der Schokolade auf jeden Fall machen lassen.
Mit diesem groben Konzept im Sinn bin ich einkaufen gegangen. Beim Metzger meines Vertrauens bekam ich Rinderknochen; Markknochen waren leider ausverkauft – also gab es keine Markklößchen in die Suppe. Spontan kaufte ich noch etwas – bereits gewürztes - Hackfleisch, machte die übrigen Einkäufe im Supermarkt um die Ecke und hatte alles, was ich für den Sonntag brauchte.

Fleischbrühe

Die Brühe habe ich schon am Vortag zubereitet:

1,5 kg (mindestens) Knochen (vom Rind; oder Fleisch, z.B. bei Hühnerbrühe) mit
1 Lauchstange in Scheiben
2 Möhren geachtelt,
1 Scheibe Sellerieknolle
1 Finger Ingwer in dünnen Scheibchen
2 Knoblauchzehen

mindestens 2 Stunden in ca. 5l Wasser köcheln lassen; dabei noch nicht salzen!

Abgesehen von dem Ingwer, den ich gerne verwende, und den Knoblauchzehen, ist das ein Standardrezept aus der Hauswirtschaftsschule. Da ich am Samstag Zeit hatte, die Brühe vorzubereiten, habe ich ihr nicht nur zwei, sondern gut sechs Stunden Zeit gegeben. Sie wird dadurch natürlich sehr kräftig; notfalls könnte man damit auch tapezieren. Da die Brühe auch als Saucengrundlage dienen sollte und dabei noch reduziert werden würde, hatte ich sie noch nicht gesalzen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Sauce zu viel Salz abbekommt.


Damwildrücken, bei niedriger Temperatur gegart,  mit schokoladiger Sauce

1,9 kg Damwilddrücken parieren, Lachse und Filets herausschneiden.
Lachse salzen, mit etwas Öl in einen Bratschlauch geben, Luft rausdrücken und dicht verschließen; zwei Std. bei 60 °C Niedrigtemperatur garen (Dampfgarer oder ähnlich).


Da ist erst mal zwei Stunden Ruhe, in denen alles andere vor- und zubereitet werden kann. Kurz vor dem Servieren:

Lachse aus dem Schlauch nehmen, in Öl kurz scharf anbraten, um kräftige Röstaromen zu erzeugen; einige Minuten ruhen lassen.


Filets (roh) kurz scharf anbraten – sie sollten innen noch rosa sein;
beides zum Servieren in Scheiben schneiden.
Pfeffer und Salz stelle ich zumeist zum selber Würzen auf den Tisch.

Das Öl im Bratschlauch, ich nehme normales Rapsöl, dient übrigens nur dazu, das Fleisch beim Garen luftblasenfrei zu umschließen. Wer einen Vakuumierer hat, kann das Fleisch für die Zubereitung natürlich auch vakuumieren und benötigt dann kein Öl. Das ist selbstredend die professionellere Methode. Und es gibt ja auch viel genauer steuerbare Geräte für das Garen nach der Niedrigtemperaturmethode als einen normalen Dampfgarer (oder ggf. auch als einen Backofen, aber der war bei mir mit Ofenkartoffeln belegt).  Eigentlich sollte die Gartemperatur ohnehin nur bei 58°C liegen, aber so genau lässt sich das bei meinem Gerät gar nicht einstellen. Die beschriebene Methode ist lediglich mein Weg, auch ohne eine professionelle Ausrüstung, in einer Standardküche, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Und trotz dieser vielleicht doch etwas grobschlächtigen Vorgehensweise wurde das Fleisch wunderbar zart und saftig! Niedrigtemperaturgaren ist schon toll!
Die Filets waren übrigens so klein und zart, dass ich sie nicht 2 Stunden dampfgaren mochte; die werden auch so zart und saftig.

Für die Sauce

Rückenknochen und alles, was beim Parieren angefallen ist, also vor allem die Sehnen, hacken, in Öl scharf anbraten/bräunen und in ungesalzener Brühe 1,5 Std. schmoren. 


Bei Bedarf verkochte Brühe ergänzen. Das ergibt einen kräftigen braunen Fond. In einem weiteren Gefäß/Pfanne 150 g gewürfelte Zwiebeln und kleinere Fleischreste, die beim Parieren und Filetieren anfallen, in Öl bräunen, salzen und in etwas Brühe 1,5 Std schmoren; das ergibt eine kleine Menge kräftigen Ragouts. 


Auch hier bei Bedarf während des Schmorens Brühe auffüllen. Nach 1,5 Stunden Bratfond aus den Knochen durch ein feines Sieb (Knochensplitter vom Hacken!) zu dem Ragout geben; zusammen ergibt das ca. 0,75l Flüssigkeit. 

2 EL dunkler Sojasauce und
1 EL Balsamicoessig dazu, mit
2 TL Speisestärke binden, mit
Salz und Pfeffer abschmecken.
50-100g dunkle Schokolade ( 80%-85% Kakao) hacken und in die Sauce einrühren.
Die Menge der Schokolade ist natürlich Geschmackssache. Man kann das einstellen von leichtem Schokoladenaroma bis hin zur deftigen Schokoladensauce. Ich hatte zunächst, in vager Erinnerung an besagten Hasenrücken, 50g Schokolade vorgesehen, aber während der Zubereitung packte mich der experimentelle Wahnsinn und ich habe die ganze 100g-Tafel eingerührt. Das war schon sehr schokoladig; das war nicht mehr mit Schokolade aromatisiert, sondern im Grunde eine kräftig-deftig-salzige Schokoladensauce. Aber es passte ausgesprochen gut zu dem Wildfleisch! Fand ich und fanden die meisten, aber eben nicht alle Familienmitglieder.

Als Beilagen gab es Sesam-Ofenkartoffeln und Feldsalat mit Schmand. Beides nicht so ungewöhnlich, die Beschreibung schenke ich mir jetzt. Aber da ich schon die Zubereitung der Fleischbrühe beschrieben habe, schildere ich doch noch die leicht sättigende Vorsuppe:

Fleischbrühe mit Fleichklößchen und Fritatten

Die Fleischbrühe vor dem Garen der Klößchen mit Salz abschmecken. Unmittelbar beim Servieren einen Hauch Muskat drüberreiben; wer keinen Muskat mag, kann auch eine Mühlendrehung Pfeffer nehmen.

Für die Klößchen:

1 Ei
50g Frischkäse
und Semmelbrösel zu formbarer Masse verkneten,
250 g gewürztes Hackfleisch dazu, gut durchmengen, Klößchen formen, ca. 10min. in sehr heißer, aber nicht kochender Brühe ziehen lassen. Die Flüssigkeit sollte allenfalls simmern; wenn die Brühe kocht, besteht die Gefahr, dass die Klößchen zerfallen.


Im Grunde ähnelt das der Zubereitung der eigentlich geplanten Markklößchen. Die Semmelbrösel machen die Sache schön locker und das Ei sorgt für die Bindung. Den Frischkäse habe ich beigefügt, weil das Hackfleisch sehr kräftig gewürzt war und daher gekocht eher etwas überwürzt schmeckte.

Für die Fritatten:

1 Ei
100g Mehl
und 0,1l Milch 

verrühren, mit Pfeffer und Salz abschmecken, daraus 2-3 Pfannkuchen backen; diese rollen und in dünne Streifen schneiden. Die Fritatten kommen erst unmittelbar beim Servieren auf die Suppe, damit sie nicht durchweichen und matschig werden.

Sind Klößchen plus Fritatten nicht ein wenig doppelt gemoppelt? Ja, vielleicht, aber das Volk sollte ja satt werden; und in Verbindung mit der sehr aromatischen Fleischbrühe passe das alles sehr gut.


Es passte außerordentlich gut! Ich bin eigentlich ja gar kein großer Suppenfreund, empfand diese klassische Suppe aber als hervorragenden Auftakt zu einem tollen Sonntagsessen. Das rosa gebratene Wildfleisch mit der kräftigen, cremigen, schokoladigen Sauce...wirklich ein Traum! Danke für diesen Gastbeitrag, mal wieder und immer wieder!





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